Jüdischer Friedhof

Auf dem Domberg, unweit der alten Römerstraße und des Galgenstandortes, liegt der Friedhof der jüdischen Gemeinde von Bad Sobernheim, auf dem auch die Waldböckelheimer Juden ihre letzte Ruhestätte fanden. Außerdem sind hier auch die Steine des 1938 aufgelassenen Monzinger Fried­hofes aufgestellt.

Der jüdische Bad Sobernheimer Friedhof ist der zweitgrößte im Kreis Bad Kreuznach. Der älteste Grabstein ist mit 1829 datiert. Die letzte Beerdigung fand 1941 statt. Die schöne An­lage, von der aus man einen herrlichen Blick auf die Stadt und die Synagoge hat, vermittelt einen guten Eindruck von jüdischer Begräbniskultur und Grabsteinformen eines Zeitraumes von fast 150 Jahren. Das Mahnmal in der Friedhofsmitte erinnert an die Gefallenen der jüdischen Gemeinde im Ersten Weltkrieg und an deren Opfer während des Dritten Reiches.

Der jüdische Friedhof auf dem Domberg von Bad Sobernheim ist der zweitgrößte von 38 heute noch vorhandenen jüdischen Begräbnisstätten im Landkreis Bad Kreuznach. Die früher über 250 Grabstellen sind auch ein Hinweis auf die ehemalige Größe der jüdischen Gemeinde, die 1932 noch 97 Mitglieder hatte.

Eines der ersten Fotos vom Friedhof – 1914

Über viele Jahrzehnte war der vordere Domberg der Richtplatz und Galgenstandort des Amtes Böckelheim. Diesen grausligen und unbeliebten Platz verkaufte man den Juden als Begräbnisstätte. Obwohl Juden in Bad Sobernheim seit 1301 nachweisbar sind, taucht ihr Friedhof erst 1825 im sog. Urkataster auf. Flurnamen der Nachbarschaft lassen aber die Vermutung eines schon längeren Bestehens des Friedhofs zu. 1826 wird der Pferdehändler Philipp Werner als persönlicher Eigentümer eingetragen. Dies war nötig, weil die jüdische Gemeinde keine Korporation öffentlichen Rechts darstellte. Schon 1856 besaß die Gemeinde einen Acker neben dem Friedhof, den heutigen neuen Sobernheimer Teil und den Standort der Monzinger Steine.

Der älteste heute noch vorhandene Grabstein trägt die Jahreszahl 1829, dort ist jener Philipp Werner begraben. Die Grabstellen der zuletzt beerdigten Gemeindemitglieder sucht man vergeblich, es sind dies Hermann Wolf 1940 und Ida Wolf 1941. Armut und schließlich die Deportation von 1942 verhinderten eine Steinsetzung am Jahrtag.

Der Friedhof präsentiert sich heute in vier Teilen:

Der alte Sobernheimer Teil und der Waldböckelheimer Teil liegen auf dem mittleren Geröllwall einer ehemaligen keltischen Fliehburg. Der neue Sobernheimer Teil befindet sich in der vorderen Mulde. Außerdem gibt es hinter dem Ehrenmal von 1950 noch die Reihe der Monzinger Steine. Ab 1925 gab es auf dem städtischen Friedhof Löhborn an der nordwestlichen Grenze hinter der Friedhofshalle auch einen jüdischen Friedhofsstreifen. Die dort Bestatteten mussten 1937 jedoch zum Domberg umgebettet werden.

Lageplan des Jüdischen Friedhofs

Für den neuen Sobernheimer Teil sind die Grabsteine in unten stehender Datenbank gelistet (No. 91-122)

NrNameGeburtsnameGeburtsdatumSterbedatumLageInschrift/ Besonderheit
91Marum, Moritz13.03.184512.12.1922Neuer Sobernheimer Teil, 1. Reihe, a
91Marum, AmalieLoewenstein03.04.185428.04.1919Neuer Sobernheimer Teil, 1. Reihe, a
91Marum, SaraMarcus06.06.181612.12.1902Neuer Sobernheimer Teil, 1. Reihe, a
92Haas, Jakob183227.04.1903Neuer Sobernheimer Teil, 1. Reihe, b
93Braun, Salomon182127.12.1903Neuer Sobernheimer Teil, 1. Reihe, c
93Wolff, JohanetteRothschild22.01.1908
22.01.1908Neuer Sobernheimer Teil, 1. Reihe, c
94Kaufmann, Jakob jun.16.06.182710.04.1906Neuer Sobernheimer Teil, 1. Reihe, d
95Kaufmann, Johannavan Geldern13.02.183103.01.1909Neuer Sobernheimer Teil, 1. Reihe, d
95Braun, RosaGimbel01.01.181328.04.1906Neuer Sobernheimer Teil, 1. Reihe, egewidmet von Fam. Gerson
96Fried, RosaLoeb21.07.183724.08.1907Neuer Sobernheimer Teil, 2. Reihe, a
97Kahn, SaraBuch15.05.184625.12.1907Neuer Sobernheimer Teil, 2. Reihe, b
98Wolff, Michael27.12.183918.01.1908Neuer Sobernheimer Teil, 2. Reihe, c„Friede seiner Asche“
99EINZELGRAB OHNE STEINNeuer Sobernheimer Teil, 2. Reihe, d
100Marum, KlaraSiegel21.11.186305.11.1909Neuer Sobernheimer Teil, 2. Reihe, e„Früh getrennt, doch ewig in Liebe verbunden“
100Marum, Heinrich26.08.18481942Neuer Sobernheimer Teil, 2. Reihe, eGedenkplatte
101Gerson BabetteBraun17.07.185131.01.1910Neuer Sobernheimer Teil, 2. Reihe, f
101Gerson, Josef30.10.185104.03.1916Neuer Sobernheimer Teil, 2. Reihe, f
102Kaufmann, KarolineNathan18.11.182808.06.1910Neuer Sobernheimer Teil, 3. Reihe, a
102Kaufmann, Daniel05.09.183226.10.1914Neuer Sobernheimer Teil, 3. Reihe, a„Friede seiner Asche“
103Kahn, Salomon12.07.183314.11.1911Neuer Sobernheimer Teil, 3. Reihe, b
104Wolf, Daniel04.04.184001.08.1914Neuer Sobernheimer Teil, 3. Reihe, c
104Wolf, KarolineFried22.03.184911.12.1932Neuer Sobernheimer Teil, 3. Reihe, c
105Wolff, Jakob04.11.184402.09.1917Neuer Sobernheimer Teil, 3. Reihe, d„Friede seiner Asche“
106Feibelmann, Richard26.11.188921.11.1917Neuer Sobernheimer Teil, 3. Reihe, eEinzelgrab ohne Inschrift
107Metzler, Abraham08.02.186023.06.1923Neuer Sobernheimer Teil, 3. Reihe, f
107Metzler, LuzieMüller21.11.186626.05.1919Neuer Sobernheimer Teil, 3. Reihe, f
108Wolf, Karoline12.03.186106.07.1919Neuer Sobernheimer Teil, 4. Reihe, a
109Feibelmann, Hermann27.08.185929.07.1919Neuer Sobernheimer Teil, 4. Reihe, b
109Feibelmann, KarolineLandmann04.08.186217.10.1924Neuer Sobernheimer Teil, 4. Reihe, b
110Haas, JohanneLoeb20.11.184127.10.1920Neuer Sobernheimer Teil, 4. Reihe, c
111Herz, Ferdinand04.12.184406.12.1921Neuer Sobernheimer Teil, 4. Reihe, dvermutet, Schriftplatte fehlt; Ehemann von Karolina, geb. Walter (31)
111Neuschüler, Otto26.07.187106.09.1921Neuer Sobernheimer Teil, 4. Reihe, dvermutet, Schriftplatte fehlt
111Neuschüler, TheklaHerz07.03.187526.05.1930Neuer Sobernheimer Teil, 4. Reihe, dvermutet, Schriftplatte fehlt
112Bergheim, Max22.12.185929.07.1922Neuer Sobernheimer Teil, 4. Reihe, e
113Herz, Simon09.01.185107.11.1922Neuer Sobernheimer Teil, 5. Reihe, a
113Herz, EmilieBlum21.12.186123.04.1936Neuer Sobernheimer Teil, 5. Reihe, a
114Metzler, Kurt, Adolf24.05.189830.06.1924Neuer Sobernheimer Teil, 5. Reihe, bvermutet
115Wolf, Isaak20.07.185023.06.1926Neuer Sobernheimer Teil, 5. Reihe, c
115Wolf, BertaOppenheimer08.02.185610.12.1942Neuer Sobernheimer Teil, 5. Reihe, cdeportiert und ermordet in Theresienstadt, Gedenkstein
115Salm, PaulaWolf23.02.18861944Neuer Sobernheimer Teil, 5. Reihe, cdeportiert und ermordet in Ausschwitz, Gedenkstein am Grab des Vaters
115Salm, Gustav18.06.18801943Neuer Sobernheimer Teil, 5. Reihe, cdeportiert und ermordet in Ausschwitz, Gedenkstein am Grab des Schwiegervaters
116Lichtenstein, Ludwig23.09.187616.06.1929Neuer Sobernheimer Teil, 5. Reihe, d
117Fried, AugusteMattes03.06.187429.06.1933Neuer Sobernheimer Teil, 5. Reihe, e
118Wolff, Leopold29.11.187303.10.1933Neuer Sobernheimer Teil, 6. Reihe, aEhemann von Friederike geb. Fröhlich (deportiert)
119Wolf, Julius17.10.190817.11.1933Neuer Sobernheimer Teil, 6. Reihe, bPlatte sichergestellt
120DOPPELGRAB MIT STEINNeuer Sobernheimer Teil, 6. Reihe, cursprünglich wohl nur linke Seite belegt, Schrift abgeschlagen
121Feibelmann, Eugen29.04.189218.03.1936Neuer Sobernheimer Teil, 6. Reihe, d„Sein Leben war ein Kampf. Er ruhe in Frieden!“
122Loeb, Leopold08.10.185409.11.1930Neuer Sobernheimer Teil, 7. Reihe, azuerst auf Löhborn beerdingt, 1937/1938 umgebettet
122Grünewald, JohannaLoewenstein23.03.185308.12.1925Neuer Sobernheimer Teil, 7. Reihe, azuerst auf Löhborn beerdingt, 1937/1938 umgebettet
122Loewenstein, Max09.04.186010.10.1925Neuer Sobernheimer Teil, 7. Reihe, azuerst auf Löhborn beerdingt, 1937/1938 umgebettet
122Loeb, EmmaLoewenstein04.11.186115.01.1944Neuer Sobernheimer Teil, 7. Reihe, aGedenkstein, in den USA beerdigt

Auffallend ist der hohe Anteil der Gräber von Kindern und Jugendlichen, die am westlichen Rand des alten Sobernheimer Teiles zu finden sind. Die linke Seite des Waldböckelheimer Friedhofsteils ist fast völlig abgeräumt. Man kann dort außer zwei zerstörten Platten nur noch ehemalige Plätze und Grabsteinunterbauten erkennen. Einige relativ unversehrte Steine wurden später am Weg aufgereiht. In den sieben Reihen des neuen Friedhofsabschnittes sind die Verstorbenen in der Richtung des hebräischen Lesevorganges bestattet, immer von rechts nach links, dann zur nächsten Reihe nach rechts zurückspringend. Selbst bei Familiengräbern, auf diesem Friedhof erst ab 1875 eingeführt, hielt man diese Anordnung mit dem zuerst verstorbenen Familienmitglied ein. So konnte man nach den Zerstörungen des III. Reiches durch das Beachten der Reihenfolge des Todesdatums alle Begräbnisplätze finden, obwohl viele Grabsteine demoliert, die Inschriften teilweise abgeschlagen oder unleserlich sind.

Völlig verquer, gleichsam wie ein Fremdkörper, und auch nicht geostet wie alle anderen Grabstellen, läuft am Hang des Geröllwalls die Reihe der Monzinger Steine entlang. Sie kamen nach der Aufhebung und Räumung des Monzinger Friedhofs im Herbst 1938 nach Sobernheim.

Neben der exponierten Höhenlage des Friedhofs mit seinem Ausblick über die Stadt und auf die Synagoge besteht der besondere Reiz in dem ständigen Wechsel zwischen den vielen Steinmaterialien. Vom heimischen Sandstein über roten pfälzischen Sandstein und grauen Marmor geht das Material über zu dunklem Granit mit behauenen und polierten Flächen. Viele der Schriftseiten sind mit schönen Jugendstilornamenten geschmückt. Bei drei Familien finden wir hier auch die zum Segnen erhobenen Hände auf den Steinen, ein Hinweis auf den Priesterstand, der Kohanim. Einen Monzinger Stein ziert auch die Levitenkanne.

In der Mitte des Friedhofs erhebt sich eine Replik des Ehrenmal von 1950. Alfred Marum, der letzte Vorsitzende der Gemeinde, hatte die nach dem ersten Weltkrieg errichtete und die in der Pogromnacht 1938 zertrümmerte Tafel gesichert und nach dem Zweiten Weltkrieg aus den zertrümmerten Teilen wieder errichten lassen. Die Ehrentafel der im Ersten Weltkrieg gefallenen Gemeindeglieder hing früher in der Synagoge. Die Jüdische Kultusgemeinde für die Kreise Bad Kreuznach und Birkenfeld hat die beschädigte Tafel durch eine originalgetreue Neuanfertigung im Januar 2005 ersetzt.
 

Schreiben vom Bundespräsident Theodor Heuss zur Einweihung des Ehrenmals1950

Leider gab es auch nach dem Kriegsende mindestens fünf Friedhofsschändungen, bei denen jeweils über 30 Steine umgeworfen und beschädigt wurden. Die Spuren von Antisemitismus und Vandalismus kann man an vielen Grabstellen ablesen. Die leeren Hälften von Doppelgräbern zeugen von den Deportationen der Ehepartner.

Wer den Friedhof besuchen möchte, sollte sich vorher telefonisch unter der 06751- 4378 in Verbindung setzen. Wenn gewünscht und zeitlich möglich, kann auch eine einfache Führung organisiert werden.

Sie können auch virtuell durch den Friedhof gehen, die Uni Koblenz lädt in Ihrem Projekt KuLaDig (Kultur. Landschaft. Digital.) ein, mit 360-Grad-Fotos den Friedhof zu erkunden oder wie wäre es mit einem „Flug“ über den alten Teil des herbstlichen Friedhofs?