Der jüdische Friedhof auf dem Domberg von Bad Sobernheim ist der zweitgrößte von 38 heute noch vorhandenen jüdischen Begräbnisstätten im Landkreis Bad Kreuznach. Die früher über 250 Grabstellen sind auch ein Hinweis auf die ehemalige Größe der jüdischen Gemeinde, die 1932 noch 97 Mitglieder hatte.
Über viele Jahrzehnte war der vordere Domberg der Richtplatz und Galgenstandort des Amtes Böckelheim. Diesen grausligen und unbeliebten Platz verkaufte man den Juden als Begräbnisstätte. Obwohl Juden in Bad Sobernheim seit 1301 nachweisbar sind, taucht ihr Friedhof erst 1825 im sog. Urkataster auf. Flurnamen der Nachbarschaft lassen aber die Vermutung eines schon längeren Bestehens des Friedhofs zu. 1826 wird der Pferdehändler Philipp Werner als persönlicher Eigentümer eingetragen. Dies war nötig, weil die jüdische Gemeinde keine Korporation öffentlichen Rechts darstellte. Schon 1856 besaß die Gemeinde einen Acker neben dem Friedhof, den heutigen neuen Sobernheimer Teil und den Standort der Monzinger Steine.
Der älteste heute noch vorhandene Grabstein trägt die Jahreszahl 1829, dort ist jener Philipp Werner begraben. Die Grabstellen der zuletzt beerdigten Gemeindemitglieder sucht man vergeblich, es sind dies Hermann Wolf 1940 und Ida Wolf 1941. Armut und schließlich die Deportation von 1942 verhinderten eine Steinsetzung am Jahrtag.
Der Friedhof präsentiert sich heute in vier Teilen:
Der alte Sobernheimer Teil und der Waldböckelheimer Teil liegen auf dem mittleren Geröllwall einer ehemaligen keltischen Fliehburg. Der neue Sobernheimer Teil befindet sich in der vorderen Mulde. Außerdem gibt es hinter dem Ehrenmal von 1950 noch die Reihe der Monzinger Steine. Ab 1925 gab es auf dem städtischen Friedhof Löhborn an der nordwestlichen Grenze hinter der Friedhofshalle auch einen jüdischen Friedhofsstreifen. Die dort Bestatteten mussten 1937 jedoch zum Domberg umgebettet werden.
Lageplan des Jüdischen Friedhofs ( Für den neuen Sobernheimer Teil sind die Grabsteine in unten stehender Datenbank gelistet)
Nr | Name | Geburtsname | Geburtsdatum | Sterbedatum | Lage | Besonderheit |
---|---|---|---|---|---|---|
91 | Marum, Moritz | 13.03.1845 | 12.12.1922 | Neuer Sobernheimer Teil, 1. Reihe, a | ||
91 | Marum, Amalie | Loewenstein | 03.04.1854 | 28.04.1919 | Neuer Sobernheimer Teil, 1. Reihe, a | |
91 | Marum, Sara | Marcus | 06.06.1816 | 12.12.1902 | Neuer Sobernheimer Teil, 1. Reihe, a | |
92 | Haas, Jakob | 1832 | 27.04.1903 | Neuer Sobernheimer Teil, 1. Reihe, b | ||
93 | Braun, Salomon | 1821 | 27.12.1903 | Neuer Sobernheimer Teil, 1. Reihe, c | ||
93 | Wolff, Johanette | Rothschild | 22.01.1908 | 22.01.1908 | Neuer Sobernheimer Teil, 1. Reihe, c | |
94 | Kaufmann, Jakob jun. | 16.06.1827 | 10.04.1906 | Neuer Sobernheimer Teil, 1. Reihe, d | ||
95 | Kaufmann, Johanna | van Geldern | 13.02.1831 | 03.01.1909 | Neuer Sobernheimer Teil, 1. Reihe, d | |
95 | Braun, Rosa | Gimbel | 01.01.1813 | 28.04.1906 | Neuer Sobernheimer Teil, 1. Reihe, e | gewidmet von Fam. Gerson |
96 | Fried, Rosa | Loeb | 21.07.1837 | 24.08.1907 | Neuer Sobernheimer Teil, 2. Reihe, a | |
97 | Kahn, Sara | Buch | 15.05.1846 | 25.12.1907 | Neuer Sobernheimer Teil, 2. Reihe, b | |
98 | Wolff, Michael | 27.12.1839 | 18.01.1908 | Neuer Sobernheimer Teil, 2. Reihe, c | „Friede seiner Asche“ | |
99 | EINZELGRAB OHNE STEIN | Neuer Sobernheimer Teil, 2. Reihe, d | ||||
100 | Marum, Klara | Siegel | 21.11.1863 | 05.11.1909 | Neuer Sobernheimer Teil, 2. Reihe, e | „Früh getrennt, doch ewig in Liebe verbunden“ |
100 | Marum, Heinrich | 26.08.1848 | 1942 | Neuer Sobernheimer Teil, 2. Reihe, e | Gedenkplatte | |
101 | Gerson Babette | Braun | 17.07.1851 | 31.01.1910 | Neuer Sobernheimer Teil, 2. Reihe, f | |
101 | Gerson, Josef | 30.10.1851 | 04.03.1916 | Neuer Sobernheimer Teil, 2. Reihe, f | ||
102 | Kaufmann, Karoline | Nathan | 18.11.1828 | 08.06.1910 | Neuer Sobernheimer Teil, 3. Reihe, a | |
102 | Kaufmann, Daniel | 05.09.1832 | 26.10.1914 | Neuer Sobernheimer Teil, 3. Reihe, a | „Friede seiner Asche“ | |
103 | Kahn, Salomon | 12.07.1833 | 14.11.1911 | Neuer Sobernheimer Teil, 3. Reihe, b | ||
104 | Wolf, Daniel | 04.04.1840 | 01.08.1914 | Neuer Sobernheimer Teil, 3. Reihe, c | ||
104 | Wolf, Karoline | Fried | 22.03.1849 | 11.12.1932 | Neuer Sobernheimer Teil, 3. Reihe, c | |
105 | Wolff, Jakob | 04.11.1844 | 02.09.1917 | Neuer Sobernheimer Teil, 3. Reihe, d | „Friede seiner Asche“ | |
106 | Feibelmann, Richard | 26.11.1889 | 21.11.1917 | Neuer Sobernheimer Teil, 3. Reihe, e | Einzelgrab ohne Inschrift | |
107 | Metzler, Abraham | 08.02.1860 | 23.06.1923 | Neuer Sobernheimer Teil, 3. Reihe, f | ||
107 | Metzler, Luzie | Müller | 21.11.1866 | 26.05.1919 | Neuer Sobernheimer Teil, 3. Reihe, f | |
108 | Wolf, Karoline | 12.03.1861 | 06.07.1919 | Neuer Sobernheimer Teil, 4. Reihe, a | ||
109 | Feibelmann, Hermann | 27.08.1859 | 29.07.1919 | Neuer Sobernheimer Teil, 4. Reihe, b | ||
109 | Feibelmann, Karoline | Landmann | 04.08.1862 | 17.10.1924 | Neuer Sobernheimer Teil, 4. Reihe, b | |
110 | Haas, Johanne | Loeb | 20.11.1841 | 27.10.1920 | Neuer Sobernheimer Teil, 4. Reihe, c | |
111 | Herz, Ferdinand | 04.12.1844 | 06.12.1921 | Neuer Sobernheimer Teil, 4. Reihe, d | vermutet, Schriftplatte fehlt; Ehemann von Karolina, geb. Walter (31) | |
111 | Neuschüler, Otto | 26.07.1871 | 06.09.1921 | Neuer Sobernheimer Teil, 4. Reihe, d | vermutet, Schriftplatte fehlt | |
111 | Neuschüler, Thekla | Herz | 07.03.1875 | 26.05.1930 | Neuer Sobernheimer Teil, 4. Reihe, d | vermutet, Schriftplatte fehlt |
112 | Bergheim, Max | 22.12.1859 | 29.07.1922 | Neuer Sobernheimer Teil, 4. Reihe, e | ||
113 | Herz, Simon | 09.01.1851 | 07.11.1922 | Neuer Sobernheimer Teil, 5. Reihe, a | ||
113 | Herz, Emilie | Blum | 21.12.1861 | 23.04.1936 | Neuer Sobernheimer Teil, 5. Reihe, a | |
114 | Metzler, Kurt, Adolf | 24.05.1898 | 30.06.1924 | Neuer Sobernheimer Teil, 5. Reihe, b | vermutet | |
115 | Wolf, Isaak | 20.07.1850 | 23.06.1926 | Neuer Sobernheimer Teil, 5. Reihe, c | ||
115 | Wolf, Berta | Oppenheimer | 08.02.1856 | 10.12.1942 | Neuer Sobernheimer Teil, 5. Reihe, c | deportiert und ermordet in Theresienstadt, Gedenkstein |
115 | Salm, Paula | Wolf | 23.02.1886 | 1944 | Neuer Sobernheimer Teil, 5. Reihe, c | deportiert und ermordet in Ausschwitz, Gedenkstein am Grab des Vaters |
115 | Salm, Gustav | 18.06.1880 | 1943 | Neuer Sobernheimer Teil, 5. Reihe, c | deportiert und ermordet in Ausschwitz, Gedenkstein am Grab des Schwiegervaters | |
116 | Lichtenstein, Ludwig | 23.09.1876 | 16.06.1929 | Neuer Sobernheimer Teil, 5. Reihe, d | ||
117 | Fried, Auguste | Mattes | 03.06.1874 | 29.06.1933 | Neuer Sobernheimer Teil, 5. Reihe, e | |
118 | Wolff, Leopold | 29.11.1873 | 03.10.1933 | Neuer Sobernheimer Teil, 6. Reihe, a | Ehemann von Friederike geb. Fröhlich (deportiert) | |
119 | Wolf, Julius | 17.10.1908 | 17.11.1933 | Neuer Sobernheimer Teil, 6. Reihe, b | Platte sichergestellt | |
120 | DOPPELGRAB MIT STEIN | Neuer Sobernheimer Teil, 6. Reihe, c | ursprünglich wohl nur linke Seite belegt, Schrift abgeschlagen | |||
121 | Feibelmann, Eugen | 29.04.1892 | 18.03.1936 | Neuer Sobernheimer Teil, 6. Reihe, d | „Sein Leben war ein Kampf. Er ruhe in Frieden!“ | |
122 | Loeb, Leopold | 08.10.1854 | 09.11.1930 | Neuer Sobernheimer Teil, 7. Reihe, a | zuerst auf Löhborn beerdingt, 1937/1938 umgebettet | |
122 | Grünewald, Johanna | Loewenstein | 23.03.1853 | 08.12.1925 | Neuer Sobernheimer Teil, 7. Reihe, a | zuerst auf Löhborn beerdingt, 1937/1938 umgebettet |
122 | Loewenstein, Max | 09.04.1860 | 10.10.1925 | Neuer Sobernheimer Teil, 7. Reihe, a | zuerst auf Löhborn beerdingt, 1937/1938 umgebettet | |
122 | Loeb, Emma | Loewenstein | 04.11.1861 | 15.01.1944 | Neuer Sobernheimer Teil, 7. Reihe, a | Gedenkstein, in den USA beerdigt |
Auffallend ist der hohe Anteil der Gräber von Kindern und Jugendlichen, die am westlichen Rand des alten Sobernheimer Teiles zu finden sind. Die linke Seite des Waldböckelheimer Friedhofsteils ist fast völlig abgeräumt. Man kann dort außer zwei zerstörten Platten nur noch ehemalige Plätze und Grabsteinunterbauten erkennen. Einige relativ unversehrte Steine wurden später am Weg aufgereiht. In den sieben Reihen des neuen Friedhofsabschnittes sind die Verstorbenen in der Richtung des hebräischen Lesevorganges bestattet, immer von rechts nach links, dann zur nächsten Reihe nach rechts zurückspringend. Selbst bei Familiengräbern, auf diesem Friedhof erst ab 1875 eingeführt, hielt man diese Anordnung mit dem zuerst verstorbenen Familienmitglied ein. So konnte man nach den Zerstörungen des III. Reiches durch das Beachten der Reihenfolge des Todesdatums alle Begräbnisplätze finden, obwohl viele Grabsteine demoliert, die Inschriften teilweise abgeschlagen oder unleserlich sind.
Völlig verquer, gleichsam wie ein Fremdkörper, und auch nicht geostet wie alle anderen Grabstellen, läuft am Hang des Geröllwalls die Reihe der Monzinger Steine entlang. Sie kamen nach der Aufhebung und Räumung des Monzinger Friedhofs im Herbst 1938 nach Sobernheim.
Neben der exponierten Höhenlage des Friedhofs mit seinem Ausblick über die Stadt und auf die Synagoge besteht der besondere Reiz in dem ständigen Wechsel zwischen den vielen Steinmaterialien. Vom heimischen Sandstein über roten pfälzischen Sandstein und grauen Marmor geht das Material über zu dunklem Granit mit behauenen und polierten Flächen. Viele der Schriftseiten sind mit schönen Jugendstilornamenten geschmückt. Bei drei Familien finden wir hier auch die zum Segnen erhobenen Hände auf den Steinen, ein Hinweis auf den Priesterstand, der Kohanim. Einen Monzinger Stein ziert auch die Levitenkanne.
In der Mitte des Friedhofs erhebt sich das Ehrenmal von 1950, das Alfred Marum, der letzte Vorsitzende der Gemeinde, zum Abschluss der Aufräumarbeiten und Instandsetzung nach dem Zweiten Weltkrieg errichten ließ. Es trägt auch die Ehrentafel der im Ersten Weltkrieg gefallenen Gemeindeglieder, die früher in der Synagoge hing. — Leider gab es auch nach dem Kriegsende mindestens fünf Friedhofsschändungen, bei denen jeweils über 30 Steine umgeworfen und beschädigt wurden. Die Spuren von Antisemitismus und Vandalismus kann man an vielen Grabstellen ablesen. Die leeren Hälften von Doppelgräbern zeugen von den Deportationen der Ehepartner.
Wer den Friedhof besuchen möchte, sollte sich vorher telefonisch unter der 06751- 4378 in Verbindung setzen. Wenn gewünscht und zeitlich möglich, kann auch eine einfache Führung organisiert werden.