Zwölf neue Stolpersteine in der Felkestadt

Von Marion Unger (Dienstag, 9. September 2025)

Der Bildhauer Gunter Demnig hat seit 1992 mehr als 125.000 Stolpersteine verlegt. In Bad Sobernheim setzte er seine Aktion von 2020 fort. Sie erinnern an das Schicksal jüdischer Mitbürger im Dritten Reich – Initiator Gunter Demnig setzte neue Bad Sobernheim. Zwölf neue Stolpersteine verlegte der Bildhauer Gunter Demnig an drei Standorten in Bad Sobernheim zum Gedenken an die einstigen jüdischen Bürgerinnen und Bürger der Stadt, die während der NS-Zeit deportiert und ermordet oder vertrieben wurden. Das Kulturforum knüpfte damit an die erste Aktion im Jahr 2020 an. Gut 50 Menschen nahmen an der Verlegung teil, die wiederum unter deutlich sichtbarer polizeilicher Präsenz ablief.

Vor den letzten Wohnstätten von Joseph Fried und seiner Kinder Margarete und Walter (Ringstraße 90), Klementine Haas und ihrer Tochter Gertrud Mendel (Marumstraße/Ecke Neugasse) sowie Moses und Gertrud Fried, deren Schwester Therese Kahn, und ihrer Kinder Arnold, Erhard, Else und Rosie (Großstraße 45) sind nun Pflastersteine eingelassen. Sie tragen eine Metallplatte, die Auskunft über ihr Schicksal gibt. Zum Auftakt der Installation am Haus in der Ringstraße erklang Gesang jugendlicher Stimmen in hebräischer Sprache. David Liokumowitsch und Klea Myftari gedachten zusammen mit rund 50 jungen Frauen und Männern der Opfer des Holocaust und stimmten das Kaddisch, das jüdische Gebet zum Gedenken an die Toten, an. Die jungen Leute absolvieren ein Freiwilligen-Seminar des Jugendreferats der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST) im Max-Willner-Heim.

„Die Stolpersteine sollen uns im Alltag daran erinnern, nie zu vergessen, was geschehen ist“, erklärte Sascha Müller. Zusammen mit dem Arbeitskreis Erinnerungskultur des Kulturforums hatte er federführend die Recherchen zu den einzelnen Familien vorangetrieben. Der Arbeitskreis baute dabei auf die jahrelangen Forschungen von Hans Eberhard Berkemann auf, ohne die nach den Worten Müllers die Aktion nicht möglich gewesen wäre. Müller würdigte die Vorarbeit des städtischen Bauhofs. Sein besonderer Dank galt Gunter Demnig und seinem Team, die seit 1992 mehr als 100.000 Stolpersteine in ganz Europa verlegt haben.

„Das Kulturforum hat von Hans Eberhard Berkemann ein großes Erbe übernommen“, meinte Stadtbürgermeister Roland Ruegenberg. Er zollte dem verbindenden Element der Stolperstein-Initiative Anerkennung. Sie trage dazu bei, die Spaltung der Gesellschaft, die von 1933 an durch die Nationalsozialisten forciert worden sei, zu überwinden. „Wir müssen die Würde in jedem einzelnen Menschen sehen, auch wenn er anders ist“, hob Ruegenberg hervor.

Während Gunter Demnig die einzelnen Stolpersteine ins Pflaster einpasste, berichteten Schülerinnen und Schüler des Emanuel-Felke-Gymnasiums über die Schicksale der Familien, an die durch die glänzenden Markierungen erinnert werden soll.

Matthis Böhm und Franz Kollenyi aus der Jahrgangsstufe 11 sowie Maya Kißling und Ella Anspach, Schülerinnen der Jahrgangsstufe 12, erinnerten auf berührende Weise an das Leiden der Verfolgten und den Schmerz der Trennung von Kindern, die vor den Nationalsozialisten geflohen waren.

Anerkennung und Dankbarkeit spricht aus Reaktionen der Nachkommen der einstigen Bürgerinnen und Bürger jüdischen Glaubens, die das Kulturforum erreichten.

„Es ist wunderbar für unsere nachfolgenden Generationen zu sehen, welche Ehre Sie ihnen erweisen“, zitierte Sascha Müller Deborah Btesh aus Florida, die Ur-Ur-Enkelin von Sophie Marum. Sie fügte hinzu: „Danke, dass Sie ihre Flammen am Leben erhalten.“ Für Mosche Marum, einem weiteren Marum-Nachkommen aus Israel, dienen die Stolpersteine als „Leuchtfeuer für die gegenwärtigen und künftigen Generationen“. Und auch aus New-York kam von Jane Bernick, der Enkelin von Hugo Marum der Apell, die Vergangenheit weiterhin wertzuschätzen und gleichzeitig Gegenwart und Zukunft anzunehmen.“

Im Namen der anderen Marum-Nachkommen bedankte sich Margrit Schneeweiß, die Enkelin des früheren Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Alfred Marum, ausdrücklich bei Gunter Demnig für seinen „großartigen Beitrag zur deutschen Erinnerungskultur“. „Wir werden weitermachen mit den Stolpersteinen“, kündigte Sascha Müller zum Abschluss der Verlegung an. So werde der Opfer individuell gedacht, anstatt sie nur in Zahlen zu fassen. Schließlich mahnte er an: „Wir müssen Zivilcourage zeigen mit einer besonderen Verantwortung für jede Art von Ausgrenzung.“

Der Bildhauer Gunter Demnig hat seit 1992 mehr als 125.000 Stolpersteine verlegt. In Bad Sobernheim setzte er seine Aktion von 2020 fort. Foto: Marion Unger

Moshe Marom besucht Bad Sobernheim 2mal

Mehrfach hat Moshe Marom Bad Sobernheim besucht, zuletzt im April 25 und im August 25 und dabei den Marumpark, den jüdischen Friedhof und das ehem. Marum-Gebäude und das Archiv besucht. Es wird nicht das letzte mal sein, betonte er bei seinem letzten Besuch mit seiner Frau:

„I returned home last Wednesday with great impressions from my wonderful visit to Sobernheim. The new attention to the Marum Park is exciting, adding few benches to the park might be useful. The opening of Q1710 might help to revive park Marum. With the exceptional help of Sascha we learned and visited the old Jewish cemetery which was emotional, we found 5 graves of the Marum family including Sara Marum the founder of the Marum company and her husband. I wish to thank you for your efforts to commemorate the Marum family which took part in leading local community in old days.“

Workshops zur Erinnerungskultur

In vier Workshops wurde wurde die Erinnerungskultur auf drei neue Säulen gestellt. Während im ersten Workshop Themen gesammelt und geclustert wurden, standen bei den nachfolgenden drei Abenden in der Synagoge folgende drei Schwerpunkte im Fokus:

Archiv / Digitalisierung / Aufbereitung von Infos (mit Führung durchs Archiv)

Öffentlichkeitsarbeit Veranstaltungen (z.B. Reichspogromnacht), Führungen, Entwicklung einer “Lauschtour“, Bildungsarbeit

Stolpersteine/Sichtbarmachung von Jüdischen Orten (Wohngebäude, Geschäfte)

Kreative Ideen zum Thema Erinnerungsorte

2024

  • Januar 24: Silvesterball
  • Februar 24: „Mainz bleibt Mainz wie`s singt und lacht“ im Priorhof
  • Februar 24: Das NAHE THEATER zeigt „Offene Zweierbeziehung“ im Kaisersaal
  • April 24: KERAMIK UND INDUSTRIEKULTUR: Tagesausflug zur Sayner Hütte und ins Keramikmuseum Westerwald
  • Mai 24: Kino an besonderen Orten: „Oppenheimer“ im Paul-Schneider-Gemeindehaus der evangelischen Kirchengemeinde Bad Sobernheim
  • Mai 24: Besuch von Marum-Nachfahren (Jane Bernick) in Bad Sobernheim
  • Juni/Juli 24: Festival OHLALA! Theater, Zirkus, Musik und viel mehr!
  • August 24: Open-Air-Kino „Barbie“ im Marumpark
  • August 24: Chorkonzert CHORVOIDEA in der Matthiaskirche
  • September 24: BACH PUR Villa Musica zu Gast in der Matthiaskirche
  • November/Dezember 24: Gedenkveranstaltung zur Reichspogromnacht und Auftaktveranstaltung: Erinnerungskultur in Bad Sobernheim
  • November 24: Kinoabend im Rahmen „Kino an anderen Orten“ im Paul-Schneider-Haus der evangelischen Kirchengemeinde Bad Sobernheim: Romanverfilmung „Ein ganzes Leben“ von Robert Seethaler

Enkelin von Hugo Marum, Jane Bernick besucht Bad Sobernheim

Gemeinsam mit Ihrem Ehemann und Enkelsohn besuchte Jane Bernick Bad Sobernheim, um auf den Spuren ihrer Vorfahren zu wandeln. Es war ein weiterer Besuch nach über 16 Jahren. Neben dem jüdischen Friedhof besuchte die Familie auch das Fabrikgebäude von Marum und die Synagoge, um Informationen aus erster Hand zu bekommen:

„Now that we are back in New York, and we are so grateful to you for being the best tour guide! You showed the 3 of us such a wonderful time while we were visiting Sobernheim. We talk about it all the time.“

Zach (Enkel) (links), Raymond (Ehemann) und Jane (zweite von rechts) zu Besuch in Bad Sobernheim

2023

  • „Mainz bleibt Mainz wie`s singt und lacht“ im Februar 2023 in der alten Grundschule
  • 3 Kinowochen: Literaturverfilmungen, Open Air in der Priorhofscheune „Starke Frauen“, Herbst im Herbst
  • Schaufensterdekoration im Rahmen der Ehrenamtstage mit unseren Plakaten
  • Unterstützung der Mattheiser Sommerakademie bei den Veranstaltungen
  • Villa Musica Konzert in der Kirche im September 2023, Goldberg Variationen
  • 30.09.2023 literarischer Nahespaziergang mit Rainer Furch in der
    Malteserkapelle
  • 09.11.2023 Gedenken an Reichspogromnacht
  • Silvesterball im Kaisersaal

Auf der Suche nach Spuren der Ahnen

Nachkommen der Familie Marum zu Besuch in Bad Sobernheim

Vor dem Haus Kirchstraße 17 fand die Familie B’tesh einen „Stolperstein“, der an Heinrich Marum erinnert. Von links: Uwe Engelmann, Sascha Müller, Deborah und Salomon B’tesh mit ihren Töchtern Sarah und Simcha sowie Dolmetscherin Hannah Steinbach. (Foto Marion Unger)

Immer wieder zieht es Nachfahren der jüdischen Familien, die einst in Sobernheim gelebt haben, auf der Suche nach Spuren ihrer Vorfahren hierher. So reisten Deborah und Salomon B’tesh aus Miami in den USA zusammen mit ihren Töchtern Sarah und Simcha an die Nahe. Deborah B’tesh suchte die Verbindung zu Sophie Marum, ihrer Ur-Urgroßmutter. Sie war die jüngste Tochter von Sarah Marum, der Stammmutter der Familie und Gründerin der Firma, die über mehrere Generationen hinweg in Sobernheim Strickwaren produzierte.

Bei Recherchen zu ihrer Abstammung im Internet stieß Deborah B’tesh auf die Aktion „Stolpersteine“. Vor den letzten Wohnstätten ehemaliger Sobernheimer Bürger jüdischen Glaubens wurden im Herbst 202013 quadratische Messingsteine im Pflaster verlegt, darunter auch vor dem früheren Anwesen von Heinrich Marum. Auf diese Weise soll an die Schicksale der Menschen erinnert werden, die dem Nazi-Terror zum Opfer gefallen sind. Über den Namen Marum in den Berichten zur Verlegung der Steine stieß die Familie B’tesh auf das Kulturforum mit seinem Arbeitskreis Synagoge und nahm Kontakt mit Sascha Müller auf.

Sascha Müller, der vor zwei Jahren die Aktion „Stolpersteine“ angestoßen hatte, organisierte für die Familie und ihre Begleiterin Hannah Steinbach, einen Rundgang durch Bad Sobernheim auf den Spuren der Familie Marum sowie auf dem jüdischen Friedhof auf dem Domberg. „Es war gut, dass wir Hans Eberhard Berkemann dabeihatten“, erklärt Müller. „Er ist ein wandelndes Lexikon, was die Geschichte der jüdischen Familien angeht, und hat viele Fragen der Besucher beantworten können.“

So führte der Weg zunächst in die Kirchstraße, wo vor dem Haus mit der Nummer 17 ein Stein an das Schicksal von Heinrich Marum erinnert. Er wurde im Alter von 93 Jahren 1942 in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert und kam dort – womöglich bereits auf dem Transport – ums Leben. Das nächste Ziel war das Stammhaus der Familie Marum in der Großstraße. Hier wurde Sophie Marum geboren. Sie heiratete den Kölner Max Loeb und starb 1924. Ihre Tochter Hedwig heiratete Ernst Silberberg und floh mit ihm in den 1930-er Jahren vor den Nazis nach Kolumbien.

Auf ihrem Weg passierten die Besucher das Firmengelände in der Marumstraße mit dem charakteristischen Übergang. Der Zufall wollte es, dass sie zunächst die jetzigen Besitzer des Hauses, das Ehepaar Kappes, trafen und danach Roland Ruegenberg. Der Eigentümer des Fabrikgebäudes öffnete spontan die Türen seines Unternehmens und ließ die Familie damit etwas vom Gründergeist der Marums spüren. 

Die Aktion „Stolpersteine“ soll ein Bewusstsein dafür wecken, dass die Stadt viele ihrer Bürger durch den Rassenwahn des NS-Regimes verloren hat. Sie will deren Schicksale ins kollektive Gedächtnis der Bürgerinnen und Bürger zurückrufen. Schon längst hätte Sascha Müller das Projekt fortsetzen wollen, aber die Corona-Pandemie bremste die Pläne aus. Schon beim Auftakt musste die Eröffnung drei Mal verschoben werden. Dennoch soll es bei den aktuell 13 Steinen nicht bleiben „Wir werden mit dem Kulturforum auf jeden Fall weitermachen und die Familie Marum in den Fokus nehmen“, kündigt er an. Er hofft dabei auf das kommende Jahr und dass trotz des damit verbundenen großen Aufwands Angehörige der Familie daran teilnehmen werden.

Text und Foto: Marion Unger

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